Kaffeeproduzenten stehen unter einem Foliendach zwischen ihren Kaffeetrocknungsbetten.

Sei Realist und träume groß!

Eine Folge zu Kaffeehandel Licht und Schatten

Kaffeeproduzenten. Sie produzieren den essenziellen Rohstoff für unser Morgenritual, für den Genuss am Nachmittag, für den Dreh und Angelpunkt einer der größten Märkte und Branchen des Globus. Ihre Situationen sind vielfältig und selten leicht, ihre Hintergründe jeweils einzigartig, genau wie ihre Ziele.

Wie oft sprechen wir über sie? Oft!

Aber wie oft sprechen wir mit ihnen? Selten.

Zumindest, wenn man nicht direkt im Kaffeehandel arbeitet oder einfach großes Glück hat. Deshalb nutze ich heute die Chance und nehme dich mit in ein Interview, dass ich mit einem Kaffeeproduzenten geführt habe.

Im Podcast kommst du mit zu Felipe, einem jungen Kaffeeproduzent aus Antigua Guatemala. Dich erwartet ein interessantes Gespräch über seinen Weg vom Studenten zu einer eigenen Kaffeefarm, seinen Ideen für die Zukunft, aber auch über die Hindernisse und Gedanken die man als Kaffeeproduzent so hat.

Hier im Blog schreibe ich etwas zum generellen Kontext und den Realitäten von Kaffeeproduzenten, den Erwartungshaltungen an sie und dem Dilemma, vor dem viele stehen.

Viel Spaß beim Lesen und Hören.

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Die Rolle eines Kaffeeproduzenten

Die ist doch klar, ein Kaffeeproduzent produziert Kaffee. Aber was heißt denn das genau? Ab welcher Stufe im Prozess ist man denn offiziell ein Kaffeeproduzent? Immerhin sind ja einige Menschen an diesem Wunderwerk Kaffee beteiligt.

Im Allgemeinen werden in den Konsumentenländern diejenigen als Produzenten wahrgenommen, die eine Aufbereitungsstation betreiben. Sprich entweder eine Farm inkl. Wet Mill haben, oder den Kaffee mehrerer Kleinbauern aufkaufen und verarbeiten.

Mehr zum Thema Kaffeeaufbereitung und was eine Wet Mill ist findest du in Folge 77 „Die Aufbereitung von Kaffee

Einfach, weil Röster und Kaffeehändler dieser Welt den Kaffee – in aller Regel – ab diesem Punk in der Wertschöpfungskette kaufen. Ebenfalls ist die Transparenz, um die es auch oft geht, besonders bei Sammelstationen selten genauer auflösbar.

Ein Beispiel, es ist in afrikanischen Anbauländern oft üblich, dass mehrere 100 oder gar 1000 Kleinstproduzenten ihre Ernten an eine Washing Station bringen. Als Kaffeeproduzent erscheint dann jene Wet Mill auf deiner Verpackung.

Wie diese Strukturen genau aufgebaut sind, das ist so vielfältig wie die Menschheit selbst. Jedes Land und jede Region hat historisch gewachsene, eigene Organisationsstrukturen von denen jeweils Ausnahmen die Regel bestätigen. Daher ist das, was ich hier heute schreibe auch eine Momentaufnahme, die vor allem aus meinen Erfahrungen in Guatemala 2019 und 2022 gespeist wird.

Wenn du mehr zu meinen Reisen nach Guatemala erfahren willst, sind die Folgen 69, 72, 74 und meine Doku über die Reise 2019 vielleicht interessant für dich. Außerdem gibt es auf Steady einen Audio Blog meiner Reise 2022.

Mit all dem im Hinterkopf, wird die Rolle von Kaffeeproduzenten etwas klarer. Für mich sind Kaffeeproduzenten alle Menschen, die auf ihrem Grund Kaffeepflanzen wachsen lassen, mit dem Ziel die Ernte zu verkaufen. Solang das in einem kleinen Rahmen passiert, und vor allem solange sie keine eigene Aufbereitungsstation haben, sind es „Small Producer“.

Warum es ein massiver Vorteil ist eine solche Kaffeeaufbereitungsstation zu haben, findest du in Folge 77 und auch im Podcast zu diesem Artikel.

Erwartungen an und Realitäten von Kaffeeproduzenten

Die Kaffeekäufer dieser Welt erwarten von Kaffeeproduzenten, verlässlich die gleiche Qualität und Menge, maximale Transparenz, sorgfältigen Umgang mit der Umwelt, und stets ein Lächeln im Gesicht – natürlich alles zu einem günstigen Preis.

Besonders in den letzten Jahren ist beispielsweise „Direct Trade“ ein sehr angesagter Begriff geworden. Er besagt im groben, dass die Rösterei den Kaffee direkt vom Kaffeeproduzenten kauft, ohne die Einbeziehung von Mittelsmännern. Das klingt erst mal nach einer super Sache – außer für die Mittelsmänner.

Aber ist es das wirklich?

Naja, das kommt drauf an.  Sicherlich kommt so mehr Geld beim Produzenten an, aber eben auch deutlich mehr Verantwortung und Aufwand. Oft ist die Logistik von der Farm bis zum Hafen teurer als die Logistik über den Ozean bis in die Rösterei. Ersteres zahlt in den meisten dieser Fälle der Kaffeeproduzent.

Hinzu kommen Kosten für die Dry Mill*, den Export und natürlich die zusätzliche Arbeitszeit. Selbst wenn der Produzent also in der Lage ist das alles überhaupt leisten zu können, sollte es sich am Ende vom Tag auch noch lohnen. Das ist bei 5 Sack direkt gehandeltem Kaffee oft eben nicht der Fall.

All das können Kaffeeproduzenten natürlich nur ab einer gewissen Größe, einem gewissen monetären Hintergrund und Bildungsstand leisten.

*eine Dry Mill ist eine weitere Verarbeitungsstation, in welcher der Kaffee abschließend für den Export vorbereitet und oft noch mal sortiert wird. Eine Folge dazu wird kommen.

Realitäten

Wir haben oft das Bild von einfachen Bauern im Kopf, wenn wir an Kaffeeproduzenten denken. Und das ist auch die Realität von vielen Menschen, die unseren Kaffee produzieren. Viele Familien haben irgendwo ein Stück Land auf dem Kaffee wächst. Kurz vor der Erntezeit ziehen sie für einige Wochen dorthin, damit niemand den Kaffee stiehlt. Ist er reif wird er geerntet und am gleichen Tag verkauft. Dieses Einkommen ist oft ein Großteil des Jahresbudgets, aber selten alles. Die Verhältnisse sind einfach und der Zugang zum Markt besteht ausschließlich durch Mittelsmänner.

Das andere Extrem sind Großunternehmen, welchen ganze Landstriche gehören, die ihren Kaffee ernten lassen und die bewusst auf ganz unterschiedlichen Märkten agieren. Dazwischen gibt es jede nur erdenkliche Abstufung. Ein einfaches Bild von „dem Kaffeeproduzenten“ gibt es nicht.

Allen ist aber gemein, dass sie vor großen Veränderungen der Wachstumsbedingungen stehen und immer mehr Auflagen von außen bekommen.

Das Dynamik Problem

Neben all diesen Erwartungen an Kaffeeproduzenten, sucht besonders die Welt des Spezialitäten Kaffees immer weiter nach neuen „funky“ Aromen, nach dem neuen Scheiß. Wer seinen Kaffee in diesem Bereich konstant verkaufen will, braucht verlässliche Partner und ein gutes Händchen für Neuerungen. Denn es gibt Trends und wer sie erkennt kann Geld verdienen, wer nicht, der wird abgehängt.

Etwas bildlicher: Vor einigen Jahren fing die ganze Welt an „Geisha“ Kaffee zu trinken. Wer diese Varietät in hoher Qualität anbieten konnte hat viel Geld damit verdient. Also hat fast jeder Kaffeeproduzent angefangen Geisha zu pflanzen. Kaffee ist aber eine langsam wachsende Pflanze, welche erst nach mind. 3 Jahren erste Früchte trägt. Inzwischen bietet jeder Geisha an und der Trend ist umgeschwenkt auf anaerobe Fermentation.

All diese Wandlungen kosten vor allem Geld, Aufwand und Zeit. Wer nicht mithält, wer es sich nicht leisten kann, oder wer keinen Markt dafür hat, bleibt auf der Strecke.

Zusammengefasst

Den einen typischen Kaffeeproduzenten gibt es nicht. In aller Regel hat ihre Realität und auch ihre Selbstsicht nicht viel mit unserer, eher romantisch verklärten, Vorstellung zu tun. Die Herausforderungen, vor denen sie stehen, sind aber für alle sehr ähnlich.

In all meinen Unterhaltungen mit den unterschiedlichsten Akteuren, hat mich eine Sache besonders hellhörig gemacht, nämlich die Häufigkeit der Aussage: „Wenn wir so weiter machen, wird es in 50 Jahren keinen Kaffee mehr geben.“ Die einzige Rettung für Kaffeeproduzenten, Realist sein und groß träumen.

Lass dir also deinen Kaffee besonders gut schmecken.

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