Wie richtig ist das Bild vom bösen großen Kaffeekonzern? – Teil 1
Aus der Reihe „Kaffeehandel – Licht und Schatten“
Wer aus mitteleuropäischer Sichtweise, über Fairness oder Transparenz im weltweiten Kaffeehandel sprich, bzw. nachdenkt, der kommt relativ häufig zu dem Schluss, dass die großen Kaffeeketten und Kaffeehändler dieser Welt die Bösen und an allem Übel schuld sind.
Sie bauen Marktungleichgewichte und Oligopole auf, sie horten Kaffee, drücken Einkaufspreise, dominieren jede Verhandlung und bestimmen über deinen Geschmack. Nachhaltiger Kaffee? Iwo, vielleicht auf dem Plakat. Fairness für den Kaffeebauern? Nur auf dem Papier.
Aber ist das denn wirklich so? Sind die großen Kaffeeketten und Händler denn wirklich nur böse? Oder ist die Antwort vielleicht sehr viel komplexer, sehr viel differenzierter zu betrachten als mit einer reinen schwarz-weiß Ansicht? Und ganz wichtig, was sagen denn eigentlich die Betroffenen, also die Farmer vor Ort dazu?
Diesem Ganzen Thema möchte ich genauer auf den Grund gehen. Heute starten wir mit Folge 1 von mindestens 2 oder 3. Es gibt hier einen ersten Überblick, eine Bestandsaufnahme vor meinem Aufenthalt im Kaffeeursprung. Auf die Veränderung bin ich selbst sehr gespannt.
Hast du vielleicht Fragen zum Thema Kaffeeketten und Kaffeehandel, denen ich in direkt in Guatemala auf die Spur kommen soll? Dann schreib mir gern. Oder möchtest du näher dabei sein bei der Antwortsuche, dann folge mir auf Instagram und auf Steady.
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Wichtiges Vorab
Mit diesem Beitrag möchte ich dich einladen gemeinsam über dieses Thema nachzudenken und unseren Horizont durch mehrere Blickwinkel zu erweitern. Dabei will ich die tief eingefahrenen Denkmuster hinterfragen und dann am Ende eben ein deutlich differenzierteres Bild zu bekommen. Aber selbst das hat wohl kaum das Potential einen über hunderte von Jahren gewachsenen, global vernetzten Handel, in dem mehrere Millionen Menschen unterschiedlicher Herkunft und Intention miteinander interagieren, ansatzweise umfassend zu beschreiben.
In einfachen Worten: Das hier dient einfach dazu, dass wir zusammen ein bisschen mehr verstehen, wie dieser Zaubertrunk Kaffee auf unseren Tisch kommt und was dort alles dranhängt.
Wie mächtig sind Kaffeegroßkonzerne?
Machtkonzentration
Ein Knackpunkt in dieser Thematik ist vor allem die Machtkonzentration von Großkonzernen. Das ist kein Kaffeespezifisches Problem, sondern ein generelles Thema der Globalisierung.
Je austauschbarer ein bestimmter Lieferant ist, desto besser für den Käufer.
Je weniger Auswahl des Anbieters der Kunde hat, desto besser für den Händler.
Im Kaffee trifft beides zu. Der Rohkaffeemarkt wird zu ca. 50% von 5 großen Händlern dominiert, u.a. Neumann Gruppe, Volacafé und Ecom. Ihnen stehen Millionen von Produzenten gegenüber, die alle ihren Kaffee verkaufen möchten.
Bei den Röstern konzentriert sich ca. 45% des Marktes auf 5 Unternehmen: Phillip Morris, Nestle, Sara Lee, Procter & Gamble und Tchibo.
Sie dominieren mit Angeboten, Lohnröstungen und Marketing, was die breite Masse kennt und trinkt.
Insgesamt reden wir über einen Markt, in dem jährlich ca. 20 Milliarden Dollar Umsatz generiert wird und der ca. 125 Millionen Menschen auf diesem Planeten ernährt.
Methoden der großen Kaffeeketten & -konzerne
Großen Unternehmen machen das, was große Unternehmen eben machen, sie versuchen Geld zu verdienen und Marktanteile zu gewinnen. Dabei nutzen sie die Möglichkeiten und Methoden, die es gibt. Alle im Detail zu nennen, würde den Rahmen sprengen, daher habe ich hier mal drei der sehr bedeutende und gut nachvollziehbare herausgepickt:
1. Übernahmen
Große Kaffeekonzerne übernehmen gut laufende kleinere Unternehmen. Damit verleiben sie sich sowohl deren Marktanteile, Markenname, Kunden und Wissen ein, verlieren aber auch gleich noch einen Mitbewerber. Ein sehr bekanntes Beispiel dafür war die Übernahme von Blue Bottle Coffee – einer hochangesehenen „3rd Wave“ Spezialitäten Rösterei. Sie wurde gekauft von Nestlé.
2. Strategisches Platzieren
Durch kluge Platzierung von Filialen und Dienstleistungsangeboten wird zum einen der eigene Konzern unumgänglicher gemacht, zum anderen werden etwaige Konkurrenten ausgeblutet.
Zwei Beispiele:
- Kaffee Kette A lässt sich in direkter Nachbarschaft zu einem unabhängigen/kleinen Kaffeegeschäft nieder. Die Umsätze tragen die Filiale zunächst kaum, was aber im Konzern abgefangen werden kann. Der große Name der Kette hilft dennoch immer mehr Kunden zu gewinnen und diese, wenn auch nur teilweise vom unabhängigen Nachbarn abzuwerben. Diesem fehlen dadurch Einnahmen, welche auf Dauer nicht kompensierbar sind.
- Händler B übernimmt mit Tochterfirmen Aufbereitungsprozesse in den Produzenten Ländern. Durch das deutlich höhere Kapital kann er auf anderem Niveau arbeiten und spart für die von ihm gehandelten Kaffees Kosten, kann diese also auch günstiger anbieten.
3. Mehrschichtige Marketingstrategien
Große Kaffeeketten und Kaffeekonzerne haben selbstverständlich völlig andere Marketingmöglichkeiten. Dabei gibt es das klassische „Werbung schalten“, aber eben auch tiefgreifender Strategien, welche dazu dienen deine Bedürfnisse überhaupt erst zu erzeugen.
Eine der erfolgreichsten Strategien ist wohl die von Starbucks. Sie erzeugen den Wunsch dazu gehören zu wollen, kaufst du dort gönnst du dir etwas und zeigst deinen Erfolg. Auch das Ladendesign ist bis ins Detail ausgeklügelt. Arte hatte hierzu mal eine sehr interessante Doku.
4. Branding
Kaffee wird von dem was er eigentlich ist – ein vielfältiges Lebensmittel – entfremdet und in ein völlig durchgebrandetes Produkt umgewandelt. Dieses Produkt kannst du nur bei der jeweiligen Marke kaufen, diese kann aber ihre Lieferanten frei austauschen. Etwas mehr dazu findest du in dem Artikel über Kapsel Kaffee.
Ist das alles verwerflich?
Nein. Oder zumindest nicht grundsätzlich.
In aller erster Linie sind das alles unternehmerisch nachvollziehbare, und oft kluge, Entscheidungen. Diese Firmen und die darin arbeitenden Menschen machen das, um Geld zu verdienen. Das machen sie auch wirklich gut, sonst wären sie wohl nicht so groß.
Außerdem gibt es ja auch einen Markt dafür. Einen Markt, der bedient werden will. Einen Markt an dem auch du, ich und alle die wir kennen beteiligt sind.
Ginge das auch anders?
Bleiben wir mal bei Großröstern. Sie bedienen diesen Markt, der günstig, verlässlich und jederzeit in gleicher Qualität ein gewisses Produkt fordert. Dieser Markt macht ca. 85 – 90% des Kaffee Welthandels aus.
Die Qualität, Transparenz und Vielfalt, die wir in der Spezialitäten Kaffee Szene so sehr abfeiern, ist in der Kombination aus Menge, Verfügbarkeit und Preis, schlicht nicht umsetzbar – noch nicht zumindest.
Das heißt allerdings nicht, dass nicht dringender Handlungsbedarf besteht. Einige der Praktiken, die auf dem Markt üblich sind, sind höchst bedenklich! Nur passiert das eben alles aus Gründen, welche nicht „DIE Großen“ alleine zu verantworten haben und lösen können wir das Schlammassel auch nur gemeinsam.
Was sollte getan werden?
Die Antwort darauf ist nicht pauschal zu geben, denn das hängt gewaltig vom einzelnen Sachverhalt ab. Schaut man sich beispielsweise die, weiter oben angesprochene, Übernahme von Dienstleistungen innerhalb der Wertschöpfungskette an, dann braucht es für gewisse Aufgaben Spezialisten, welche ggf. auch einen gewissen finanziellen Hintergrund mitbringen. Beispielsweise für die Vergabe von Überbrückungskrediten oder in der Logistik.
Handeln die großen Kaffeeketten schon?
Ja. Über die Motivationen kann man mutmaßen, über die Effizienz der Maßnahmen auch, aber es passiert etwas.
Das das alles etwas behäbiger geht als beim Kleinröster um die Ecke ist durchaus verständlich. Wenn ein großer Kaffeekonzern anderen Kaffee verkaufen möchte, muss er dafür eine neue Produktlinie einführen. Diese muss im Marketing entwickelt werden, aber auch erst mal der entsprechende Kaffee in der nötigen Menge und Verlässlichkeit gefunden werden, um damit alle Filialen beliefern zu können. Das bedeutet viel Aufwand, Geld und Zeit.
Wieviel das den Farmern dann wirklich bringt, wage ich an dieser Stelle nicht zu beurteilen.
Ihre Sichtweise erforsche ich aktuell in Guatemala. Den mehrmals wöchentlich erscheinenden Audioblog zu diesem Abenteuer findest du auf meinem Steady Account. Die Ergebnisse bekommst du hier in Teil 2 dieser Reihe präsentiert.
Greenwashing im Kaffeehandel
Eine Sache möchte ich hier aber bei allem bereits aufgebrachten Verständnis für Kaffeeketten und Kaffeekonzerne deutlich herausheben:
Wer mit offenen Augen hinschaut und sich ein bisschen in die vielen unterschiedlichen Labels und selbst erstellten Zertifikate einliest, der erkennt, wie löchrig vieles davon ist. Ganz viel von dem was auf den ersten Blick wunderbar klingt, ist in Wahrheit einfach nur heiße Luft. Mit anderen Worten, es werden Dinge so formuliert, dass du glaubst die Firma handelt Fair und nachhaltig, dabei tut sie es gar nicht oder nur in absolut homöopathischen Dosen.
Das liebe Freunde der „ausgesuchten Hochland Arabica Bohnen“ ist nicht in Ordnung. Da haben Menschen den Schuss nicht gehört und stellen kurzfristigen Gewinn über Menschenwürde.
Fazit – Teil 1
Da liegt etwas gewaltig im Argen, ja. Einen allein Schuldigen gibt es dabei aber nicht, so gerne wir das vielleicht auch hätten. So wäre die Lösung nämlich sehr viel offensichtlicher und einfacher.
Für Fairness und nachhaltigen Kaffeehandel muss dringend (!) etwas getan werden. Die Konsequenzen aus dem Handeln der vergangenen Jahrzehnte sieht man nämlich schon gewaltig – sogar in den Nachrichten, in Form von massiven Migrationswanderungen aus zentral Amerika Richtung USA und Mexiko.
Der Kaffee Welthandel ist aber so komplex und groß, dass wir nur alle gemeinsam etwas bewegen können. Wichtig wäre, dass jeder Akteur in seinem jeweiligen Rahmen und Fachgebiet seinen Teil dazu beiträgt. Dabei haben große Kaffeekonzerne zwar ganz andere Hebel, aber auch viel größere Reaktionszeiten. Die kleinen dafür haben die Möglichkeit Wissen zu vermitteln und Menschen dafür zu resensibilisieren, dass Kaffee ein lebendiges vielfältiges Lebensmittel mit vielen menschlichen Geschichten ist.
Danke fürs Lesen, Teilen & Supporten.
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