Warum ein alter Trick zur neuen Mode wird
Carbonic Maceration, Lactic, Anerobic, Thermal oder Kombucha Fermentation, und noch so viele mehr. In der Welt der Kaffeenerds sprießen seit einiger Zeit immer neue Arten der Kaffee Fermentation, wie Pilze aus dem Boden. Inzwischen ist die Vielfalt so groß, dass selbst in den hoch gebildeten und erfahrenen Kaffee Kreisen die Verwirrung wächst.
Es eröffnet sich ein weiterer vielfältiger Bereich im Thema Kaffee, dem wir gemeinsam hier mal etwas entmystifizieren und für uns grob aufräumen. Alles für ein bisschen mehr Übersicht und Klarheit in diesem ziemlich spannenden und gerade sehr dynamischen Themenkomplex.
Heute soll es vor allem darum gehen ein paar generelle Dinge zu verstehen. Die Besonderheiten der einzelnen Fermentationen kommen bei Gelegenheit in einer eigenen Folge.
Jetzt aber erst mal viel Spaß beim Lesen und Hören!
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Warum wird Kaffee fermentiert?
Ok, fangen wir vorne an. Das, was wir als Kaffeebohne aus der Tüte kennen, ist eigentlich ein verarbeiteter Kern einer Frucht. Diesen Kern muss man aus der Schale und auch von seinem Fruchtfleisch lösen, und zwar gänzlich. Das ist aber gar nicht so einfach. Vor allem nicht in einer so riesigen Menge, wie sie in der Kaffeeproduktion anfällt.
Über Jahrhunderte hinweg haben sich dazu verschiedene Methoden entwickelt und verfeinert. Wir kennen sie als Aufbereitungsmethoden für Kaffee. Wenn dich die unterschiedlichen Methoden genauer interessieren, lege ich dir Folge 77 „Die Aufbereitung von Kaffee“ sehr ans Herz.
Sie alle haben eines gemeinsam, sie beinhalten zu einem gewissen Teil eine Art kontrolliertes Verrotten, um den Kern vom Fruchtfleisch zu lösen. Dabei passiert auch eine Art der Fermentation, also ein Prozess in dem Bakterien, Hefen und Enzyme organische Stoffe umwandeln und damit Aromen entwickeln. Besonders in der Haltbarmachung und Verfeinerung von Lebens- und Genussmitteln ist das ein weltweit gängiges Verfahren.
Eine solche Fermentation, kann allerdings auch schiefgehen und Dinge ungenießbar machen. Wenn beispielsweise ein angesetzter Wein kippt und zu Essig wird, die Pflaumen in der Kiste überreif werden oder der Fermentationsprozess zu schnell gelaufen ist und die Aromen zu intensiv geworden sind.
Rolle der Kaffee Fermentation früher
In der Kaffeeproduktion ist das ein gewaltiges Risiko. Wenn dieser Prozessteil nicht gut ausgeht, muss man den Kaffee mit erheblichen Verlusten verkaufen. Zudem ist jede Form der Aufbereitung mit einem erheblichen Aufwand verbunden.
Lange Zeit hat man die Kaffeefermentation also hauptsächlich als notwendiges Übel durchgeführt – man wollte an den Kern der Frucht. Je nach Region wurden dafür traditionell eben unterschiedliche Methoden angewendet.
Findige Menschen haben also daran gearbeitet diesen Schritt aus der Produktion zu entfernen und sogenannte Desmucilaginadores – also Entfruchtfleischer – erfunden. Durch deren Einsatz kann man also den Samen gewinnen ohne, dass er eine Fermentation durchlaufen muss. Das Ergebnis ist ein Kaffee, der im Vergleich zum den gleichen Bohnen, der gleichen Farm, weniger Fehleranfällig ist, aber auch deutlich an Körper und Komplexität einbüßt.
Rolle der Kaffee Fermentation heute
Spätestens aus diesem Umstand wird also klar, dass die Fermentation in der Kaffeeproduktion einen wesentlichen Beitrag zur Qualität hat.
Das hat in Spezialitäten Kaffee Kreisen natürliche einen besonders guten Nährboden gefunden. So sind viele Kaffeefachleute, Röster und Wissenschaftler dieses Planeten losgezogen und haben begonnen auszuprobieren. Sie haben sich Hilfe geholt bei Winzern und allerhand anderen Fachbereichen, haben sich in den Küchen der Welt umgesehen und Prozess Ingenieure engagiert.
Herausgekommen ist eine wahre Welle an neuen Wegen die Kaffee Fermentation nicht nur kontrollierbar zu machen, sondern auch noch einen extra Beitrag zur Qualität leisten zu können oder ganz neue Aromen herauszukitzeln.
Zum Einsatz kommen dabei unterschiedliche Methoden. Von neu gestalteten Prozessen und Anlagen mit verschließbaren Edelstahltanks, über experimentelles Mischen unterschiedlich getrockneter Chargen, bis zum Einsatz bestimmter Hefen oder Pilze.
Funky Fermentations
Neue Prozesse – Anaerobe Fermentation und Carbonic Maceration
Nach mehreren Jahren gespickt mit diversen Versuchen setzten sich aktuell besonders zwei Wege der Kaffee Fermentation durch, die Anaerobe Fermentation und die Carbonic Maceration. Beide laufen in geschlossenen Systemen, denen der Sauerstoff entzogen wird. Bei der Anaeroben Fermentation passiert dies passiv, indem die im Fass entstehenden Gase den durch ein Ventil verdrängen. Bei der Carbonic Maceration passiert das aktiv, durch das Einleiten von CO2 in den Tank. (Ganz grob vereinfacht)
Der riesige Vorteil dieser Art der Kaffee Fermentation ist, dass durch den fehlenden Sauerstoff die Fermentation deutlich langsamer läuft. Achtet der Produzent nun auch noch auf Faktoren wie Temperatur, Durchmischung im Fass und pH-Wert, können ganz gezielt wundervolle Aromen von reifen Tropenfrüchten deutlich herausgearbeitet werden.
Kombucha, Koji Kaffee & Co.
Ein weiterer Weg die Fermentation zu kontrollieren ist die Zugabe einer Hefe oder eines Pilzes, der die Reaktion komplett übernimmt. Sprich alle wilden Hefen werden verdrängt und nur noch eine Art dominiert den Umwandlungsprozess. Der Hit aus dem Jahr 2020 und 21 war wohl die Verarbeitung mit Kombucha.
Ganz neu erscheint gerade (zumindest auf meinem Radar) der Koji Kaffee. Das Vorgehen ist ähnlich, nur der Pilz ein anderer. Koji kennen wir vor allem aus der japanischen Küche, in der viele Dinge mit Koji fermentiert werden, z.B. Soja Soße. Beiden Pilzen wird nachgesagt, dass sie die Speisen sehr bekömmlich und ihre Nährstoffe für unseren Körper gut aufnehmbar machen. Den Koji Kaffee getrunken habe ich persönlich bis heute allerdings noch nicht.
Neue Zusätze
Die Szene der entdeckungsfreudigen Kaffeemenschen lechzt nach immer neuen Aromen und Wundern. Wie immer in der Menschheitsgeschichte gibt es auch hier ein Höher, Schneller, Weiter. Mit den neuen Methoden der Kaffee Fermentation haben sich natürlich auch völlig neue Möglichkeiten und Klarheiten in den Kaffee Aromen ergeben – und auch Wege diese zu beeinflussen.
Unter anderem werden daher in diese ganzen neuen Prozesse auch noch (natürliche) Zusätze gegeben. Zimt ist dafür ein beliebtes Beispiel. Man lege ein paar Stangen frischen Zimt mit in den Tank und erhalte eine echte Zimt Granate in der Tasse.
Heraus kommen spannende Kaffees, was insgesamt davon zu halten ist, darüber wird heftig diskutiert. In meinen Augen ist hier aber vor allem erst mal Transparenz gefragt, dann kann jeder selbst entscheiden, ob er den mit Zimt voraromatisierten Kaffee gut findet oder nicht.
Kurse, Coachings & Workshops
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Ein Grund für all das?
Eine spannende Diskussion ergibt sich aber auch darum, woher dieser plötzliche Schwung überhaupt kommt. Denn für viele Farmer sind die wilden Experimente durchaus ein erhebliches und oft unkalkulierbares Risiko. Läuft etwas schief in der Kaffee Fermentation, können sie diesen Teil der Ernte nur noch zu einem Schleuderpreis verkaufen – wenn überhaupt. Dem Käufer ist das egal, dieser kann sich beim nächsten Anbieter ein geglücktes Experiment aussuchen. Hier sind selbstredend die Farmer im Vorteil, die sich diese Wetten auch leisten können.
Dennoch sind auch sie inzwischen in einem erheblichen Zugzwang. Mit dem Erfolg der besonderen Kaffees, will auch jede Rösterei exklusiv etwas Besonderes anbieten und auch jedes Jahr etwas Neues.
Der extreme Schub in den unterschiedlich fermentierten Kaffees, ist also eigentlich nur eine Fortsetzung der seit vielen Jahren Laufenden Jagd der Kaffeekäufer, nach immer neuen Bohnen und Aromen.
Fazit
Ob das alles gut ist und wohin es führt, das kann und will ich nicht beurteilen. All diese Versuche bringen die Kaffeewelt und unser Verständnis der Zauberbohnen ja auch jeden Tag ein bisschen weiter. Auch werden so Prozesse entwickelt, welche Helfen die Produktion berechenbarer zu machen und ggf. Probleme, z.B. durch den Klimawandel, auszugleichen.
Ist deshalb jede neue Aufbereitungsart und Kaffee Fermentation gleich gut? Nein, absolut nicht. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt, und wer weiß zu welch glorreichen Erkenntnissen uns das alles führen kann.
Danke fürs Lesen!
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